Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren
schon in der Magna Charta König Johanns aus dem 13. Jahrhundert findet sich eine treffende Regel für den heutigen Anlass: […] Keine Unterstützungsleistung ohne den gemeinsamen Ratschluss unseres Königsreichs.[1] Das Budgetrecht ist eine der ersten historischen Errungenschaften der Demokratisierung Europas. Im Rahmen der französischen Revolution war es die Kehrseite persönlichen Eigentums und persönlicher Freiheit in Form eines Steuerbewilligungsrechts. Mit der Zeit wandelte es sich zu einem echten Mitspracherecht, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist.
Weder in der Historie, in der Demokratie noch der Pandemie.
Mit Blick auf die Auswirkungen Coronas stehen uns schwere Jahre bevor: Coronabedingte Mindereinnahmen oder Aufwendungen in Höhe von knapp 424 Mio € begründen eine große Herausforderung für die Stadt. Die Perspektive des Landes auf die Kommunen haben wir schon in vorangegangene Debatten zum Altschuldenfonds gesehen: Großen Ankündigungen folgt ein schneller Rückzug und am Ende sogar das Bestreiten einer Notwendigkeit eines solches Fonds der Mehrheitsfraktionen im Düsseldorfer Landtag. Ein ähnliches Verhalten zeigt sich in diesen Pandemiezeiten: Bilanztricks ersetzen keine echten Hilfen, um dieser angespannten Lage gerecht zu werden. Zumindest hat der Bund durch die dauerhafte Steigerung der KdU-Übernahme einen wichtigen Beitrag für eine finanziell nachhaltige Haushaltsentwicklung gelegt. Dennoch haben wir als Stärkungspaktkommune mühsam erarbeitete Spielräume – pandemiebedingt – so gut wie verloren. Das ist bitter und insoweit kann ich mich den Stimmen der Verwaltung nur anschließen, die das Land in die Pflicht nehmen. Wir brauchen eine vernünftige Lösung für die kommunalen Finanzen, die eine Politik ermöglicht, die sich nachhaltig mit den Wünschen und Anforderungen der Bürger:innen und Bürger auseinandersetzt. Eine Politik, die nicht – mit Blick auf die Haushaltslage – gute Ideen auf die lange Bank schieben muss. Wir können es uns schlicht politisch und finanziell nicht mehr leisten, die Kommunen und damit die Bürger:innen in ihrer unmittelbaren Lebenswelt, weiter im Stich zu lassen.
Trotz der schwierigen Lage müssen wir als gewählte Verantwortliche handlungs-und steuerungsfähig bleiben, um Erwartungen und Ideen der Mönchengladbacher:innen erfüllen zu können. Trotz Corona muss ein politischer Gestaltungsanspruch vorhanden bleiben und sich erkenntlich zeigen. Dazu sind wir gewählt worden. Dazu haben uns die Bürger*innen ihr Vertrauen geschenkt. Diesem Vertrauen wollen wir als SPD und als Mehrheitsfraktionen gerecht werden. Trotz Corona. Trotz unklarer finanzieller Aufstellung für die Zukunft. Mit Augenmaß, Verantwortungsbewusstsein und einer Orientierung an den realen Bedürfnissen. Deshalb haben wir uns aufgemacht, um für die kommenden Jahre wichtige Projekte und Anliegen auf den Weg zu bringen
Wir sind die erste politische Mehrheit, die substantiell Stellen für den Kommunalen Ordnungs-und Servicedienst einrichtet und so die Grundlage für mehr Erreichbarkeit und Durchsetzungskraft für die Anliegen der Bürger:innen geschafft. Dabei setzen wir perspektivisch eben auch auf sozialpräventive Ansätze und wollen mehr Geld für Präventionsprojekte und die soziale Arbeit grundsätzlich auf den Weg bringen. Sicherheit im sozialdemokratischen Sinne muss eben ganzheitlich gedacht werden.
Es ist die erste politische Mehrheit, die ein eigenes dauerhaftes Baumpflanzungsprogramm auf den Weg bringt und so die Grundlage für einen klimatischen Ausgleich schafft.
Es ist die erste politische Mehrheit, die Barrierefreiheit so ernst nimmt, dass sie fast eine halbe Millionen Euro für inklusive Ertüchtigung bereitstellt. Konkret können so große Planungskosten sowie ebenso kleine schnelle Maßnahmen erfasst und finanziert werden. Im Sinne der sozialen Teilhabe wollen wir den Prozess voranbringen.
Es sind viele erste Male, die diese Mehrheit auf den Weg bringt. Ebenso werden aber erfolgreiche Modelle fortgeführt: Trotz des auslaufenden Förderprogramms wollen wir im Süden unserer Stadt einen Quartiersmanager fortscheiben und aus eigenen Mitteln finanzieren. Dabei werden wir die Aufgaben eines solchen Kümmerers für Rheydt auf die aktuellen Herausforderungen im Einzelhandel anpassen. Wir wollen sicherstellen, dass wir in der Stadtentwicklung einen ausreichenden Fokus auf Rheydt legen, um Lösungen für problematische Entwicklungen anzubieten. So bieten wir eine greifbare Perspektive vor Ort, die mit den Betroffenen gemeinsam einen Weg für Rheydt findet. Kein Konzept allein rettet Rheydt, sondern es braucht auch städtisches Personal, dass sich dem Thema dauerhaft annimmt. Diesen Rahmen schaffen wir, um gemeinsam den Grundstein für eine Neuerfindung Rheydts zu legen.
Auch unserem bestehenden Ruf als Sportstadt wollen wir gerecht werden und lassen den Sport buchstäblich nicht im Regen stehen: Mit dem Geld im Bereich Sport wollen wir unhaltbare Zustände beseitigen und hoffnungsvollere Perspektiven schaffen. Das sind Maßnahmen, um die Begeisterung an Bewegung zu erhalten und berechtige Erwartungen des Vereinssports zu erfüllen.
Ebenfalls wollen wir den Erwartungen der Familien in Mönchengladbach gerecht werden: Insbesondere ist die Frage nach Betreuungsplätzen weiterhin drängend. Hier sind wir mit 450 OGATA-Plätzen und 1,4 Mio € mehr auf einem guten Weg. Das Förderprogramm zum Infrastrukturausbau schafft darüber hinaus Möglichkeiten, die wir nutzen werden. Ebenso weiten wir den Ansatz des HOME-Projektes aus um 760.000 € aus. So wollen wir sicherstellen, dass Eltern ausreichend geholfen wird. Eine gute Betreuung und Beratung in diesem Bereich verbessern nicht nur die Lebensbedingungen der Eltern. Sie wirken sich auch massiv auf die Lebensumstände der Kinder aus. Wir schaffen hunderte KiTa-Plätze, um dem steigenden Betreuungsbedarf über alle Altersstrukturen hinweg gerecht zu werden.
Die SPD-Fraktion und die Kooperationspartner stehen fest an der Seite der Familien und Eltern dieser Stadt. Das zeigt sich auch in der Frage nach Spielplätzen: Wir stellen eine halbe Million Euro zur Verfügung, um Spielplätzen in den Quartieren neue Geräte zu beschaffen und so Freizeitmöglichkeiten für Familien zu steigern. Kindern zuzumuten auf denselben Geräten zu spielen, wie wir, ist nicht tragbar und deshalb ist die Neuanschaffung ein wichtiger Schritt. Darüber hinaus ist die Unterhaltung von Spielplätzen genauso wichtig. Die finanzpolitische Sinn-und Ernsthaftigkeit zeigt sich gerade hier in der konsumtiven Berücksichtigung. Wir wollen dauerhaft und verlässlich die Qualität von Spielplätzen ausbauen und halten – so wollen wir Eltern und Kindern ein attraktives Angebot machen.
Auch im Schulbereich wollen wir uns dem Elternwillen stellen: Es ist kein Geheimnis, dass jährlich eine Vielzahl von Kindern nicht ihre gewünschte Schulform besuchen dürfen. Mit dem umgestellten Anmeldeverfahren haben wir politisch zum ersten Mal die Möglichkeit – durch den neuen ersten Schritt – zu erkennen, wie stark der Schulwunsch ist. Das bedeutet, dass wir die Anmeldewünsche sehen, die sich genuin auf Gesamtschulen beziehen. Diese Zahlen wollen wir als Grundlage für eine bedürfnis-und sachorientierte Schulpolitik nutzen. Die Ernsthaftigkeit von Schulpolitik macht eine Festlegung vor den Anmeldezahlen nicht möglich. Eine Schulpolitik, die sich am Willen der Eltern ausrichtet, muss diesen belegen können. Deshalb werden wir die schulpolitischen Entscheidungen im kommenden Ratszug Mitte März treffen und stellen die betroffenen schulorganisatorischen Maßnahmen dieses Haushalts denknotwendig unter einen Vorbehalt. Das ist der Anspruch, den wir an den Tag legen, um unsere Politik an realen Bedürfnissen der Eltern dieser Stadt auszurichten.
Den erfolgreichen Weg im Kulturbereich wollen wir aufrechterhalten und legen sogar nach: Neben der Verstetigung der Mittel für die freie Kulturszene wollen wir konsumtiv Betriebskostenzuschüsse – durch die Förderung Dritter Ort iHv 40.000€ – ermöglichen, um erfolgreichen Projekte eine dauerhafte Finanzierung zu ermöglichen. So stellen wir die Vielfältigkeit und Zukunft unseres Kulturangebotes sicher. Gerade in diesen Pandemiezeiten hat die Kreativität der Kulturszene Formate und Angebot ermöglicht, die uns an manch schweren Tagen ein Highlight waren.
Die offene Kinder-und Jugendarbeit in der Stadt wollen wir ebenso finanziell aufrüsten: Sei es die Arbeit mit Behinderten oder die Arbeit mit einkommensschwächeren Familien: Die offene Kinder-und Jugendarbeit leistet einen wichtigen Beitrag für die soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt. Sie schaffen Räume für Menschen, die dringend gebraucht werden. Deshalb ist ein Herzensanliegen in diesem Bereich mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Arbeit ausweiten zu können.
Auch den Herausforderungen sozial angespannter Bereiche unserer Stadt verschließen wir uns nicht. Mit dem Ansatz für ein Präventionsprojekt wollen wir sicherstellen, dass wir Probleme gar nicht erst entstehen lassen und gleichzeitig eine robuste Struktur sozialer Arbeit anbieten. Die Menschen müssen sehen und spüren, dass sich die Stadt einsetzt und niemanden aufgibt. Mit Projekten in genau diesen räumlichen Bereichen wird die Entschlossenheit deutlich: Wir wollen eine Stadtgesellschaft für alle.
Ebenso wollen wir Mönchengladbach als Stadt des vielfältigen Engagements würdigen: Unsere aktiven und engagierten Bürger:innen wollen wir eine ehrliche Struktur anbieten, die Partizipation ermöglicht: jede Form der Partizipation von Bürger:innen bereichert unsere Stadt. Jedes verstetigte Engagement bringt neue Impulse in die Kommunalpolitik und schließt die Lücke zwischen den Bürger:innen und Politik. Deshalb stellen wir mit einem konsumtiven Pauschalansatz – der also auch personelle Ressourcen hergibt – sicher, dass Impulse der Bürger:innen zur politischen Partizipation nicht verpuffen. Gleichzeitig wollen wir anzustoßendem Engagement einen Rahmen geben: Ein Pauschalansatz legt keine definitiven Formen fest, sodass Jugendlichen ebenso ein Rahmen zur Mitarbeit geschaffen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe Ihnen in meiner Einleitung die historische, demokratische und verantwortungsvolle Bedeutung des Haushaltsrechts skizziert. Was die Verantwortung und Weitsichtigkeit angeht sind die Anforderungen in einer solchen pandemischen Ausnahmesituation umso höher. Es schlicht ist nicht zu verantworten, Forderungen aufzustellen, deren finanzielle Auswirkungen wir nicht kennen. Mönchengladbach braucht eine sichere finanzielle Grundlage. Wenn diese in Düsseldorf nicht geschaffen wird, müssen wir umso mehr Augenmaß anlegen. Vor diesem Hintergrund ist es finanzpolitisch alles anders als geboten, Forderungen ohne Ansätze oder korrekte Deckungen in den Raum zu stellen. Nicht überall, wo Haushalt draufsteht, steckt dieser auch drin; einige haushaltsähnliche Impulse sind unterjährig ebenso zu stellen oder bedürfen dort einer grundsätzlichen Diskussion.
Wer strategische Entwicklungen für die Stadt anstoßen möchte, kann sich keiner taktischen Schnellschüsse bedienen. Wir haben in Mönchengladbach einen Prozess angestoßen, der die Stadt für die nächsten Jahrzehnte auf eine gesunde Grundlage stellen will. Als SPD-Fraktion und als Mehrheitsfraktionen sind für uns dabei, neben den strategischen Erwägungen für die gesamte Stadt, auch die Bedürfnisse der einzelnen Bürger:innen essenziel. Manche würden dies als Spannungsfeld beschreiben. Aber es sind alles andere als Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig: Es gibt keine gesunde Stadtentwicklung ohne die Bedürfnisse der Bürger:innen und keine Umsetzung der Bedürfnisse ohne ein strategisches Fundament. Das zeigt auch dieser Haushalt. Er trägt die Handschrift der Bedürfnisse der Bürger:innen Mönchengladbachs. Der Familien, der Kinder, der Jugendlichen, der Engagierten und der Gestaltenden. Alles andere sind politische Spielchen oder dienen der Vergangenheitsbewältigung. Sie bringen den Menschen unserer Stadt keinen Fortschritt.
Ein erster Fortschritt zeigt sich in den persönlichen und politischen Neuerungen dieser Ratsperiode. Sehen wir es als Chance, die üblichen Grabenkämpfe hinter uns zu lassen. Lassen Sie uns dem Weg treu bleiben, dem wir uns verschrieben haben: Zusammenarbeit im Sinne unserer Stadt. Die Stadt gehört niemandem. Keiner Fraktion, keiner Partei, keiner Verwaltung. Sie gehört uns allen, den sie betrifft uns alle und deshalb beraten wir stellvertretend über ihre Zukunft.[2] Sie gehört nämlich uns, den vielen Bürger:innen dieser lebendigen Stadt. Uns, die wir alle als Mönchengladbacher:innen, die schwerste Zeit der letzten Jahrzehnte erleben. Lassen Sie uns zusammenstehen. Nicht physisch, sondern in unserem Einsatz für ein Mönchengladbach, das wir zukunftsfest gestalten werden.
Vielen Dank!
[1] „Nullum scutagium vel auxilium ponatur in regno nostro, nisi per commune consilium regni nostri“
[2] Angelehnt an eine (kirchen-)rechtliche Regel: „Quod omnes tangit ab omnibus approbari debet“ – Was alle betrifft, muss auch von allen beraten werden.